Also, ich hab dazu ein paar Dinge zu sagen:
Bei einem Jahr von Erfahrung zu sprechen, halte ich für reichlich gewagt. Das geht bei mir unter Einarbeitungszeit. Das ist kein Mitarbeiter, den ich allein auf den Anwender loslassen kann, wenn es um mehr geht als mal einen Report oder einen Batch Input runterzuschreiben. Das mit dem Gehalt ist etwas ruppig, aber in der Sache nicht zu beanstanden. Klar, 36k ist weit von dem entfernt, was man so an Gehältern hört, aber an die sechsstelligen Gehälter (die durchaus bezahlt werden) muss man sich eben ranrobben. Zumal es nicht nur auf ABAP ankommt, sondern auch auf sowas wie "wie arbeitet der unter Druck?", "wie geht der mit Anwendern um?", etc.
Zur Erfahrung hat Daniel (hier bekannt, derzeit passiver) mal gesagt: "Alles unter 10 Jahre ist kein richtiger Entwickler" und so ganz falsch liegt er da nicht (sage ich heute, damals fand ich das ziemlich bescheuert ;) ). Denn gerade das Arbeiten unter Druck bedingt viel Erfahrung, die einem Sicherheit gibt. Und dann lernt man so Dinge wie "was strahle ich auf den Anwender aus?". Wenn gerade die Hölle brennt beim Anwender tut dem das gut, wenn einer anruft und in ganz ruhigen Worten sagt "Guten Tag, mein Name ist Ralf Wenzel, ich bin externer Mitarbeiter im SAP-Team und außerdem hier im Hause die Feuerwehr". Und man dabei ausstrahlt, dass man selbst überhaupt gar keinen Zweifel hat, das Problem lösen zu können. Dann kommt der Anwender auch runter und wird ruhiger. Aber sowas muss man sich erarbeiten.
Wichtig ist eigentlich, worüber wir nichts wissen: Was ist das für eine Stelle? Ich gebe mal ein extremes Beispiel: Das Unternehmen ist in der Produktentwicklung tätig, schreibt also eine kommerziell vertriebene Erweiterung für SAP (so wie die HanseCom das macht oder das GRZ in Hannover). Da hängt die Latte ziemlich hoch gerade in solchen Punkten wie OO-Entwicklung, Design Patterns, Software-Architektur, Abstraktion, etc.
Über solche Kenntnisse wissen wir auch vom Bewerber nichts. Wir wissen auch nicht, inwiefern S/4-Kenntnisse wichtig sind.
Noch ein Beispiel zur Komplexität: Ein Kunde von mir hat als Bedingung für jede Einstellung oder Freiberufler-Beauftragung, dass ein Eignungstest bestanden wird. Hierbei soll eine standardisierte (aber nicht jedem bekannte - ich kannte sie auch nicht) Aufgabe gelöst werden. Zunächst hab ich denen einen Vogel gezeigt nach dem Motto "Geht's noch? Mit 20 Jahren Projekterfahrung im CV?" -- hab es dann aber aus verschiedenen Gründen doch gemacht.
So richtig schwierig fand ich die nicht, ich hab die gelöst und als Kommentar ein paar Verbesserungsvorschläge reingeschrieben und war nach 2h fertig. Auf die Frage, was damit nun bewiesen werden soll, wurde mir mitgeteilt, dass 7 von 10 Bewerbern an der Aufgabe scheitern.... Da war ich baff. Und das sind nur die, die in die engere Wahl gekommen sind.
Herausgestellt hat sich bei dem Kunden, dass die zwar keine Produktentwicklung betreiben, aber einen Nischenmarkt bedienen und sich darum jeder langwierig in ein schwieriges Thema einarbeiten muss, das auch ziemlich abstrakt codiert ist. Insofern ist der Test rückblickend vollkommen berechtigt.
Was ich damit sagen will: Wenn die Anforderungen hoch sind und ich weiß, dass da jemand kommt, den ich erstmal ein Jahr lang einarbeiten muss, dann will ich am Anfang natürlich weniger für den bezahlen, weil ich in den nur Geld reinstecke und nicht sicher weiß, dass er der Aufgabe wirklich gewachsen ist.
Noch eine kleine Anekdote: Ich hatte mit meinem Stottern ein ziemliches Problem als ich mich um meine erste SAP-Stelle beworben habe. Also bin ich mit der Gehaltsforderung erstmal runtergegangen und hab dann nach dem ersten Jahr gut pokern können - ich war in wichtigen Projekten, habe super Leistungen gebracht, hohe Umsätze für den Arbeitgeber erwirtschaftet und habe (solange ich für diesen Arbeitgeber gearbeitet habe) jedes Jahr eine Gehaltserhöhung von 1000 DM pro Monat rausgeholt.
So kann man das also auch machen: Erstmal niedriger ansetzen und dann mit Fakten überzeugen.
Nicht vergessen sollte man: It's Corona-Time. Der Markt wird gerade überschwemmt von Freiberuflern, für die ein Arbeitsvertrag plötzlich sehr interessant wird. Das sieht man auch daran, dass allgemein die Gehaltsvorstellungen in den Stellenausschreibungen kleiner werden. Das legt sich schnell wieder, aber gerade jetzt ist eigentlich keine gute Zeit, eine Stelle zu suchen, würde ich sagen.
Das mal als Hintergrundinformation zu den Nebenkriegsschauplätzen, die hier aufgemacht wurden.
Ralf