Ich versuche, zu erklären, dass der Gewissenskonflikt eine viel engere Definition hat als die Motivation. Den Begriff der Motivation gibt es im rechtlichen Sinne gar nicht - es gibt aber sehr wohl Rechtfertigungsgründe (z. B. Notwehr, Nothilfe, etc.).DeathAndPain hat geschrieben:Ja, aber woraus besteht denn der Gewissenskonflikt?
Punkt 3 hat sehr viel mit Heimtücke zu tun.DeathAndPain hat geschrieben:Der liebe Gott bewahre Dir Deine netten Begriffe. Den der "Heimtücke", den Du hier auf eine gewöhnliche Körperverletzung verallgemeinern möchtest, gibt es im deutschen Recht nur im Zusammenhang mit der von Daniel angesprochenen Definition von Mord.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.DeathAndPain hat geschrieben:Bei den Nazis, von denen diese Morddefinition noch stammt, was das anders. Da gab es sogar ein dezidiertes "Heimtückegesetz".
Jetzt hast du dir Körperverletzung ausgesucht, was ein blödes Beispiel ist, weil fahrlässige Körperverletzung strafbewehrt ist - und zwar anders als die vorsätzliche Körperverletzung. Das ist etwas unüblich, weil normalerweise der Vorsatz Voraussetzung ist für die Strafbarkeit einer Handlung (es sei denn, es gibt separate Straftatbestände, wie eben bei der Körperverletzung).DeathAndPain hat geschrieben:Und ich bin durchaus der Meinung, wenn ich im Wasserwerk arbeiten und heimlich eine leichte Fluorlösung ins Wasser mischen würde, um aufgrund meiner persönlichen Überzeugungen hinsichtlich der Wichtigkeit der Mundflora die Zähne der Bevölkerung zu verbessern, nicht wissend, dass Fluor auch ein starkes Gift ist, das bei ausreichend geringer Dosierung zwar nicht tödlich ist, gerade auf lange Sicht aber durchaus seine gesundheitlichen Nebenwirkungen entfalten kann, dann würde man mich anders bestrafen, als wenn ich Rattengift gewählt hätte mit dem erklärten Ziel, die Menschen langsam aber sicher zu vergiften.
Dann lass es so sein, dass mir die giftigen Nebenwirkungen des Fluors durchaus bekannt sind. Ich halte aber gute Zähne für überaus wichtig und bin der Auffassung, dass die sonstigen gesundheitlichen Folgen des Fluors im Vergleich zu dem Vorteil für die Zahngesundheit nicht so bedeutsam und hinzunehmen sind. Aufgrund dieser Überzeugung bin ich dennoch der Meinung, dass ich den Leuten etwas Gutes tue.Daniel hat geschrieben:Das Beispiel mit dem Fluor ist ganz schlecht.
Du willst ja niemanden vergiften. Es fehlt daher am Vorsatz.
Das ist bei Rattengift ja anders. Es ist keine Frage der Motivation.
Mit Blick auf das oben Gesagte bin ich anderer Auffassung.Ralf hat geschrieben:Es bleibt dabei - Die Motivation ist irrelevant.
Dessen bin ich mir durchaus bewusst und bemühe mich im Rahmen dieser juristischen Diskussion um eine möglichst sorgsame und formkorrekte Wahl meiner Begriffe.Ralf hat geschrieben:"Gefühlte" Gleichheit von Begriffen bedeutet nicht, dass sie für einen Juristen gleich sind.
Das Frustrierende für dich ist, dass die vor Gericht irrelevant ist.DeathAndPain hat geschrieben:Mit Blick auf das oben Gesagte bin ich anderer Auffassung.Ralf hat geschrieben:Es bleibt dabei - Die Motivation ist irrelevant.
Dessen bin ich mir durchaus bewusst und bemühe mich im Rahmen dieser juristischen Diskussion um eine möglichst sorgsame und formkorrekte Wahl meiner Begriffe.[/quote]Ralf hat geschrieben:"Gefühlte" Gleichheit von Begriffen bedeutet nicht, dass sie für einen Juristen gleich sind.
Trotz Deines Schöffendaseins behaupte ich, dass diese Deine Aussage falsch ist. Ich habe schon genug Urteile gesehen um zu wissen, dass alle möglichen Aspekte, darunter durchaus auch die von mir genannten, in die Bemessung des Strafmaßes eingehen. Der Richter hat da einen nicht unerheblichen Ermessensspielraum, in dem er sich bewegen kann, und zwar zum Teil sogar gefühlsmäßig. Es gibt ja keinen vollständigen Strafmaßkatalog, in dem man jedes Tatdetail jeder sich real ereignenden Tat (einschließlich mildernder Umstände usw.) nachlesen und aufgrund eines (automatisierbaren) Algorithmusses daraus ein eindeutiges Gesetzesstrafmaß berechnen kann. Definiert sind eigentlich je nach Tatbestand nur Ober- und Untergrenzen sowie allenfalls noch Hinweise zur Zumessung.Das Frustrierende für dich ist, dass die vor Gericht irrelevant ist.
Eine Behauptung, die konkret zu hinterlegen Dir wiederum nicht gelingt.Allein, es gelingt dir nicht....Dessen bin ich mir durchaus bewusst und bemühe mich im Rahmen dieser juristischen Diskussion um eine möglichst sorgsame und formkorrekte Wahl meiner Begriffe.
Ja, das war es mir zu dem Zeitpunkt schon. Aus Überheblichkeit.Ist jet deutlich, warum ich weiter oben schrieb „aha, ein Rechtsexperte“?
DeathAndPain hat geschrieben:Nicht formal. Ich halte das aber für einen impliziten Bestandteil des dem Richter eingeräumten Ermessensspielraums.
Dein Problem ist, dass du wahrscheinlich "Motivation" denkst, wo "Hinterlist" oder "Heimtücke" oder etwas anderes hintersteckt, was gefühlsmäßig "Motivation" ist, bei Lichte betrachtet aber nicht.ralf.wenzel hat geschrieben:Das Frustrierende für dich ist, dass die vor Gericht irrelevant ist.
Das ist ein allgemeines Kommunikationsproblem, welches sich nicht nur im juristischen Umfeld findet. Wenn ich mit Anwendern sprechen und die Anforderung eine "Tabelle" ist, meinen die häufig eine Excel-Tabelle, auch wenn sie - um mir entgegen zu kommen - in Fachwörtern aus dem Informatikbereich sprechen.ralf.wenzel hat geschrieben:Meine Frau hat gestern, auf diesen Thread angesprochen, gesagt "Das ist das Problem, das ich mit vielen Mandanten habe - sie verstehen die Unterschiede in juristischen Begriffen nicht, verwenden sie vom Sprachgebrauch her / aus dem Bauch heraus und wundern sich über das Urteil". [...]
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ralf.wenzel
Hinterlist und Heimtücke sind Wege zum Ziel, definieren jedoch (im Gegensatz zur Motivation) nicht das Ziel selbst. Wie schon geschildert, kann dieses Ziel darin bestehen, sich selbst zu bereichern, anderen aus Bosheit zu schaden - oder etwas Gutes zu tun.ralf.wenzel hat geschrieben:Dein Problem ist, dass du wahrscheinlich "Motivation" denkst, wo "Hinterlist" oder "Heimtücke" oder etwas anderes hintersteckt, was gefühlsmäßig "Motivation" ist, bei Lichte betrachtet aber nicht.
Frage: Hat sie diesen Thread gelesen, oder hast Du ihr nur davon erzählt? Ich wette letzteres, wodurch sie den ganzen Sachverhalt nur durch Deine Brille kennt und Du ihr sicherlich auch Deine Meinung dazu auseinandergesetzt hast, wohingegen sie von meiner nur das weiß, was Du darüber denkst. Das kannste dann natürlich vergessen. Aus gutem Grund werden in einem Rechtsstaat auf solche Weise keine Urteile gefällt.Meine Frau hat gestern, auf diesen Thread angesprochen, gesagt "Das ist das Problem, das ich mit vielen Mandanten habe - sie verstehen die Unterschiede in juristischen Begriffen nicht, verwenden sie vom Sprachgebrauch her / aus dem Bauch heraus und wundern sich über das Urteil". {...} Im Übrigen hat sie unterstrichen, dass Daniel und ich recht haben.
Ich glaube zu wissen, was Du meinst und denke, dass Du hier zwei Sachen durcheinanderwirfst, die nichts miteinander zu tun haben. Du zielst darauf ab, dass jemand, der gegen ein Gesetz verstoßen hat, sich darauf berufen will, nur Gutes im Sinn gehabt zu haben, weshalb man ihn dafür nicht bestrafen könne. Damit ist er aus gutem Grund nicht erfolgreich, denn das Recht ist definiert über die Gesetze und nicht über seine Privatmeinung, was richtig und was falsch ist. Was Du hier durcheinanderwirfst (und vermutlich auch Deiner Frau falsch berichtet hast), sind "Strafbarkeit" und "Strafmaß". Die Strafbarkeit ist im Gesetz ziemlich genau definiert und letztlich eine boolesche Entscheidung. Das Strafmaß jedoch unterliegt einem Ermessensspielraum nicht unerheblicher Breite, den das Gesetz dem Richter zugesteht. Hier gehen erschwerende wie mildernde Umstände ein, die vom Richter zu bewerten sind. Solch Bewertung wird zwangsläufig immer ein Stück subjektiv sein. An dieser Stelle ist das Motiv durchaus ein ganz erheblicher Faktor. Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist das Trolley-Problem, bei dem sogar die (boolesche) Strafbarkeit als solche nicht völlig zweifelsfrei sein muss. Auf jeden Fall aber habe ich keinen Zweifel, dass jemand, der im Rahmen eines Trolley-Problems einen Menschen umbringt, ein anderes Strafmaß zugewiesen bekommen wird als jemand, der sich eines normalen Totschlags (ich sage bewusst nicht "Mord", um diese Spezialdisziplin auszuklammern) schuldig macht. Nach meiner Überzeugung gilt das sogar im schwerwiegendsten Fall des Trolley-Problems, nämlich der "Fetter Mann"-Variante.Gerade wenn es um Taten geht, die man "aus gutem Grund" oder "aus heerer Motivation" getan hat. Das wird dann vor Gericht nicht bewertet und die Beklagten beklagen (har har har) sich darüber, weil sie nicht wissen, dass ihre Motivation irrelevant ist. {...} Ein Urteil "nach Bauchgefühl" ist ein guter Kandidat für die nächsthöhere Instanz.
Das Ziel ist aber eben irrelevant, das ist das Problem.DeathAndPain hat geschrieben:Hinterlist und Heimtücke sind Wege zum Ziel, definieren jedoch (im Gegensatz zur Motivation) nicht das Ziel selbst. Wie schon geschildert, kann dieses Ziel darin bestehen, sich selbst zu bereichern, anderen aus Bosheit zu schaden - oder etwas Gutes zu tun.
Verloren, ich kommuniziere mit meiner Frau zu ca. 80% auf digitalem Wege - ich hab ihr den Link auf den Thread geschickt. Das geht schneller als wenn ich ihr in der wenigen Zeit, die wir zusammen verbringen, die ganze Story erzähle (zumal erzählen bei mir prinzipbedingt lange dauert, da ich stottere).DeathAndPain hat geschrieben:Frage: Hat sie diesen Thread gelesen, oder hast Du ihr nur davon erzählt? Ich wette letzteres,
Alles richtig, aber die Motivation ist keines der Kriterien, die dazu beitragen.DeathAndPain hat geschrieben:Was Du hier durcheinanderwirfst (und vermutlich auch Deiner Frau falsch berichtet hast), sind "Strafbarkeit" und "Strafmaß". Die Strafbarkeit ist im Gesetz ziemlich genau definiert und letztlich eine boolesche Entscheidung. Das Strafmaß jedoch unterliegt einem Ermessensspielraum nicht unerheblicher Breite, den das Gesetz dem Richter zugesteht. Hier gehen erschwerende wie mildernde Umstände ein, die vom Richter zu bewerten sind.
Wie oft muss ich es dir jetzt noch erklären, welche Umstände relevant waren und dass die Motivation keiner davon war?DeathAndPain hat geschrieben:Und nochmal: Auch im Fall Daschner hat seine Motivation eine offensichtlich erhebliche Auswirkung daraufgehabt, dass er mit solch vergleichsweise mildem Strafmaß davongekommen ist.
Ich weiß nicht, ob das wörtlich aus dem Urteil zitiert ist, aber ich sehe hier einen direkten Verweis auf die Gewissenskonflikte, die er als Gesetzeshüter zu bewältigen hat. Wenn ich als Gesetzeshüter versuche, ein Verbrechen zu verhindern, es aber mit den mir zu Verfügung stehenden Mitteln nicht kann, ist das ein solcher Gewissenskonflikt.DeathAndPain hat geschrieben:Normalerweise würde ich nicht erwarten, dass ein Polizist, der in Amtsausübung überzeugend mit einer Folterdrohung arbeitet, mit einer Bewährung davonkommt. Dazu Wikipedia: "Als strafmildernd hielt das Gericht Daschner zugute, dass er sich als leitender Ermittler unbestrittenermaßen in einer nahezu ausweglosen Situation befunden habe. Seiner Entscheidung, zum Wohle des Tatopfers die Grenzen des rechtlich Zulässigen zu überschreiten, läge eine „ehrenwerte, verantwortungsbewusste Gesinnung des Angeklagten“ zu Grunde." (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Daschner-Prozess )
Oha...ich kommuniziere mit meiner Frau zu ca. 80% auf digitalem Wege
Das ist es. Du darfst gerne nachlesen:Ich weiß nicht, ob das wörtlich aus dem Urteil zitiert ist
Auch wenn du hier auf einem Spezialfall herumhackst (wie Daniel dir ja schon erklärt hat), ist das mit der Gesinnung was mit dem Gewissenskonflikt zu tun, nicht mit der Motivation. Das kannst du drehen und wenden wie du willst. Es ist egal, warum du jemandem auf die Fresse haust, es hat keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit oder das Strafmaß (Rechtfertigungsgründe lasse ich jetzt mal aus).DeathAndPain hat geschrieben:Das stellt ganz klar auf seine Motivation ab; tatsächlich würde ich den hier verwendeten Begriff "Gesinnung" und den von mir verwendeten Begriff "Motivation" an dieser Stelle als synonym einschätzen.
Jein, ich kann dir sagen, wie die Rechtslage ist und was uns als Schöffen gesagt wird, was relevant ist und was nicht. Wenn du der Meinung bist, dass das alles Quatsch ist, dann ist das so und ich werde es nicht ändern können.DeathAndPain hat geschrieben:Du kannst Deine Behauptung wiederholen, so oft Du magst